Täglich grüßt der Gummistiefel

2 Wochen Wwoofen mit 2 Kindern in Niedersachsen

Ein Gastbeitrag von Marie

Vorspiel

Die Anderen: „Und wohin fahrt ihr dieses Jahr in den Urlaub?“

Ich: „Ich gehe mit den Kindern Wwoofen.“

Die Anderen: „Du machst was?“

Diesen Dialog hatte ich vor meinem Wwoof-Aufenthalt nicht nur einmal. Die Reaktionen schwankten dabei zwischen ehrlichem Interesse und blankem Entsetzen. Arbeiten im Urlaub? Während man entspannt in der Hängematte dösen könnte?!

Zugegeben: für jene, die Entspannung suchen, ist das Ganze nicht zu empfehlen. Ich habe es trotzdem gemacht. Nun aber von vorn.

Flaches Land

Ein Hof in der niedersächsischen Pampa. Ich sehe große Flächen und viel, sehr viel Landwirtschaft. Hier ticken die Uhren noch anders. Der örtliche „Nah & Gut“ hat seine Beleuchtung ausgeschaltet, um Strom zu sparen und die Bürgersteige klappen sich auch am Tage nicht aus.

Mittendrin im flachen Land mit wenig Bäumen liegt der Hof von Bastian, Eva und der gemeinsamen Tochter. Beide vor acht Jahren „eingewandert“ aus Düsseldorf, nicht so ganz integriert, wohl aber akzeptiert in der Dorfgemeinschaft. Als ich hier das erste Mal in den Stall trete werden direkt Kindheitserinnerungen wach. Dieser Pferdegeruch, herrlich! Wie früher mit den Großeltern auf dem Bauernhof.

Und dann stehen sie auf einmal vor mir diese riesigen Tiere und ich habe plötzlich gewaltigen Respekt. Neun Pferde sind es. Dazu kommen noch drei Esel, zwei Laufenten, zwei Hunde und eine Katze. Alles Tiere, die auf dem Hof einfach sein dürfen, ohne etwas leisten zu müssen. Auch die Pferde werden nicht beritten. Für mich ist das ein wunderbarer Ansatz, mit dem ich mich gleich identifizieren kann.

Ne Runde Abäppeln

Dennoch: im Paradies bin ich nicht gelandet. Die ersten Tage sind einfach nur Stress. Viele Regeln, viel Arbeit, viel Alles-richtig-machen-wollen. Die Kinder im Zaum halten und dabei nicht umfallen. Vieles davon ist von mir selbstgemacht, das weiß ich.

Die körperliche Arbeit ist sehr ungewohnt, aber ich merke, wie mir die immer wiederkehrenden Tätigkeiten guttun. Spätestens 07.30 Uhr bin ich in meine Gummistiefel gesprungen und stehe im Stall um „abzuäppeln“. Das ist der pragmatische Ausdruck für Pferdeäpfel-Wegräumen. Das Tolle daran: Man ist irgendwann damit fertig. Für Büromenschen, die sonst eher kreativ tätig sind, ist das eine feine Sache. Danach geht es irgendwann mit den Hunden raus, was ich ebenfalls sehr schätze. Weitere Programmpunkte sind Mittagessen machen, abäppeln, Stall ausmisten, Abendessen machen, abäppeln. Klingt ziemlich simpel und ist es eigentlich auch.

Gar nicht so einfach ist die Abgrenzung von Arbeit und Freizeit, wenn alles so nah und miteinander verzahnt ist. Ist das Kochen am Abend auch Arbeit? Es fühlt sich auf jeden Fall so an. Das andere Kind mit bespaßen? Definitiv Arbeit! Aber ich bin mir sicher, von außen sieht es gar nicht so aus. Innen fühlt es sich allerdings so an. Das größte Problem für mich: Zu viel Nähe. Räumlich ist immer jemand da. Das Aufeinanderhocken in einem Zimmer mit den eigenen Kindern führt mich an die Grenzen meiner Resilienz. Es gibt kaum Momente des Unbeobachtet-Seins.

Bauernhofidylle

Unser Aufenthalt ist für 12 Tage geplant. Ab Tag 5 geht es bergauf. Die Schmerzen beim Aufstehen werden besser und ich gewöhne mich an den mir sehr fremden Muskelkater in den Händen. Irgendwie sehe ich Licht am Ende des Tunnels, was wohl auch damit zu tun haben könnte, dass der Tag der Abreise näher rückt. Aber auch, weil ich jetzt schon ein bisschen weiß, wie der Hase läuft und lerne mir Freiräume zu nehmen. Freiräume von der Arbeit und Freiräume von den Kindern. Ich finde ein paar gute Verstecke, in denen ich ungestört im Buch schmökern und heimlich Süßigkeiten essen kann. Und schon fühlt es sich ein bisschen an wie zu Hause.

Jede und jeder von uns hat mittlerweile ein Lieblingstier. Esel Anton hat sich einen Platz ganz oben im Herz des Sohnes erobert. Die Tochter liebt nun das Pferd Charnelle über alles und mir hat es das Pony Kim angetan. Verrückt wie schnell das geht und wie viel leichter sich Empfindungen für Tiere aufbauen lassen als für Menschen.

Am Ende bleibt das Gefühl, es geschafft zu haben. Und die Gewissheit darüber, dass die Bauerhof-Idylle in meinem Kopf nicht mehr ist als eine romantische Vorstellung.

Die wichtigsten Dinge, die ich gebraucht habe

– Gummistiefel

– Arbeitshandschuhe

– Notfallsüßigkeiten 😉

– bequeme Arbeitshose -> bei mir war es eine Sport-Leggins

Was ich am meisten vermisst habe

– meinen Georg

– mein halbes Kopfkissen

– Kaffee mit Milchschaum

Mein Fazit

Ganz ehrlich: Nochmal machen würde ich das so nicht. Also allein mit 2 Kindern. Aber die Erfahrung war es natürlich wert!

Wer diese ebenfalls machen will, meldet sich am besten hier an: https://wwoof.de/. Ciao!

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